Norbert Miguletz

Preisträger BDA Architekturpreis Rheinland-Pfalz 2006

Dokumentationshaus KZ Hinzert

Hinzert-Pölert

Norbert Miguletz

Dokumentationshaus KZ Hinzert

Hinzert-Pölert
Projekt
Dokumentationshaus KZ Hinzert
Architekt
Wandel Lorch Architekten ehemals Wandel Hoefer Lorch + Hirsch
Bauherr
Land Rheinland-Pfalz

Ort und Geschichte
Der Standort des ehemaligen SS- Sonderlagers/KZ Hinzert ist geprägt von landschafilicher ldylle: sämtliche authentische Spuren des Ortes sind verschwunden. Die zeitgenössische Auseinandersetzung mit der Geschichte des Lagers kann sich daher nicht auf architektonische oder andere räumliche Relikte stützen. Das Fehlen von historischem Material durch Rekonstruktion oder Simulation zu kompensieren erscheint fragwürdig. Notwendig erscheint vielmehr ein Ansatz, der die Ambivalenz von heutiger Idylle und vergangenem Verbrechen zum eigentlichen Thema macht. In der Auseinandersetzung mit der Landschaft werden gestalterische Mittel entwickelt, die auf einfache Art Grenzen sichtbar machen sowie aus der Topografie ein Gebäude entstehen läßt, das als Verwerfung der Landschaft deutlich macht, daß die Idylle an diesem Ort trügt. Mit dem neuen Dokumentations- und Begegnungshaus im Zentrum legt sich ein Netz von historischen Orten (2.8. Steinbruch, Gräben für Massenerschießungen) über die Landschaft und erklärt somit die Systematik des SS-Lagers. Die Information, das Lernen und Auseinandersetzten mit der Geschichte wird neben dem Gedenken durch das allmähliche Verschwinden der Generation der Zeitzeugen immer wichtiger und ist Aufgabe dieses Hauses.

Konzept
Das Gebäude steht im Dialog mit der Landschaft: Aus der Zweidimensionalität der Landschaft entwickelt sich ein dreidimensionales Faltwerk welches das Volumen für das Dokumentationshaus schafft. Das Faltwerk ist tragende Corten-Stahl-Konstruktion und Fassade zugleich und in der Materiallogik komplementär zum satten Grün der Landschaft.

Der Seminarbereich befindet sich in einem Bereich des Gebäudes, der sich über gezielte Ausblicke zum Ehrenfriedhof hin orientiert. Die Ausstellung wird geprägt durch den Sichtbezug zum Gelände des ehemaligen SS- Straflagers.

Der Blick aus der Ausstellung zeigt eine Überblendung von landschaftlicher Idylle und einer in die Glasfassade gedruckten historischen Aufnahme des Lagers. Durch die optische Überlagerung von Vergangenheit und Gegenwart wird das Innere des Dokumentationshauses wesentlich geprägt.

Ausstellungs- und Seminarraum sind als innere hölzerne Hülle dem Haus eingestellt.

„Einheit von Haus und Ausstellung“; Die Ausstellung ist direkt in Text und Bild auf die Birkenholzpaneele der Wände gedruckt, womit die Information dem Haus unmittelbar eingeschrieben wird. Der entstehende Raum bleibt frei und kann als Aktionsfläche für unterschiedlichste Veranstaltungen das Haus mit Leben füllen. Der Bereich zwischen äusserer und innerer Hülle nimmt einerseits alle dienenden Funktionen des Hauses auf (dienende Räume, sowie Technik). Anderseits bietet er im Ausstellungsbereich Raum für eine vertiefende Informationsebene bestehend aus Auszügen, Bildschirmen, Vitrinen, welche die Hauptinformationsebene ergänzen.

Konstruktion
Das freistehende Dokumentations- und Begegnungshaus mit den Grundrissmaßen von ca. I5 x 40 m wird als eingeschossige, den gesamten Grundriß überspannende Stahlkonstruktion geplant. Mehr denn Schiffsbau als Hausbau wird die tragende Konstruktion durch ein Faltwerk bestehend aus 12 mm dicken Cortenstahl-Platten im Verbund mit Spanten gebildet. Die dreieckigen, untereinander nicht ebenflächig verschweißten Cortenstahl-Platten bilden eine polygonale Oberflächengeometrie mit statischer Höhe. Die Montage ergibt sich durch Aufteilung der Gebäudehülle in vorgefertigte grossformatige Wand- und Dachsegmente.

Die Bodenplatte sowie die erdberührenden Wände, auf denen die Stahlkonstruktion auflagert, wurden in Stahlbeton ausgebildet und durch eine
Bauteiltemperierung zur Kühlung und Heizung herangezogen. In die Strukturform des Faltwerks werden alle notwendigen Öffnungselemente (Eingang, Fenster, Technik) in derselben Logik flächenbündig integriert.

„Erstaunlich, wie eindrücklich mit diesem neuen Gebäude ein Ort des Schreckens, der inzwischen völlig aus dem Landschaftsbild verschwunden war, wieder in Erinnerung gerufen werden kann. Die ganze Anlage, vom Aufbrechen der Landschaft, über die konstruktive Ausbildung, bis hin zur Materialisierung spricht eine einheitliche Sprache, die diesen Ansatz unterstützt.“

Preisträger

BDA Architekturpreis Rheinland-Pfalz 2006 – Auszeichnung