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28. November 2019

Mitgliederversammlung 2019

In ihrem Impulsvortrag „Baukultur im ländlichen Raum – Notwendigkeit oder Luxus?“ zu Beginn der Mitgliederversammlung des BDA Bayern am 16.11.2019 betrachtete Gastrednerin Marion Resch-Heckel (1. Vizepräsidentin der Bayerischen Architektenkammer) eine qualitätsvolle Baukultur als Chance und Erfolgsfaktor für den ländlichen Raum. Sie beobachtete an Hand vorbildlicher Entwicklungen in mittelfränkischen Gemeinden den positiven Effekt, den lebendige Ortsmitten mit einem prägenden Ortsbild und Aufenthaltsqualität nicht nur auf die Lebensqualität der Bevölkerung, sondern auch auf die wirtschaftliche Entwicklung von Gemeinden haben. Das Wettbewerbswesen spiele hierbei eine tragende Rolle. Durch einen hochwertigen Städtebau mit qualitätsvoller, nachhaltiger Architektur könne Polyzentralität gestärkt und eine Aufwärtsspirale im ländlichen Raum in Gang gesetzt werden, die wiederum zu einer Entlastung der Verdichtungsräume beiträgt. Dennoch stellte Resch-Heckel nach wie vor großen Handlungsbedarf fest und gab der Mitgliederversammlung konkrete Punkte mit auf den Weg:

• Baukultur nicht nur für finanzstarke Gemeinden – Schulterschluss mit Gemeindetag suchen
• Überzeugungsarbeit leisten – im ländlichen Raum werden mehr engagierte, kleine Architekturbüros gebraucht
• Niederschwellige Verfahren mit Partizipation der Bürger – Alternativen zu RPW-Verfahren suchen
• Qualifizierung der kommunalen Bauverwaltung – damit Bauherrenvertreter und Architekten gemeinsam zukunftsfähige Lösungen entwickeln können
• Fortbildung für Kommunalpolitiker über die Bedeutung von Baukultur
• Auseinandersetzung der Tourismusexperten mit dem Thema moderner Baukultur

In ihrem Bericht aus der Vorstandsarbeit zeigte Landesvorsitzende Lydia Haack anschließend, dass in vielfältigen Formaten – Parlamentarische Frühstücke, BDA-Jahrestagung, Publikationen, BDAtalk – die im Rahmen der Mitgliederversammlung 2018 formulierten Arbeitsaufträge intensiv behandelt wurden. Von und gemeinsam mit den jeweiligen Referenten vorbereitet, hat sich der BDA Bayern bei den Themen der Nachwuchsförderung, einer klugen Stadtplanung und Landesentwicklung, einer angemessenen Honorierung, für einen hochwertigen bezahlbaren Wohnungsbau und für die Relevanz von Baukultur öffentlich und gegenüber der Politik positioniert. Insbesondere in der Ausbildung und Nachwuchsförderung müssten noch vermehrt Impulse erfolgen, so Haack. So werden bei der Konzeption der BDA-Jahrestagung 2020 explizit junge Kolleginnen und Kollegen mit einbezogen.

Als Neuerung, die auf die Relevanz der Klimafrage reagiert, wurde ein Referat für klimagerechtes Bauen ins Leben gerufen, das zukünftig von Stefan Krötsch verantwortet wird.

Unter Applaus wurde BDA-Mitglied Erwin Wachter für seine langjährigen Verdienste im BDA-Präsidium in Berlin gedankt. Herzliche Glückwünsche wurden seiner Nachfolgerin Annemarie Bosch ausgesprochen. Danksagungen gingen auch an Hartmut Niederwöhrmeier, dem als langjährigen Delegierten des BDA Bayern im Verband Freier Berufe (VFB) nun Rainer Post (Referent für Honorar- und Baurecht des BDA Bayern) nachfolgt.

Rainer Post berichtete aus der Arbeitsgruppe „Neue Leistungsbilder“ des Bundesverbandes und stellte den aktuellen Stand des Arbeitspapiers vor. Einige Punkte wurden im Anschluss kontrovers und lebhaft diskutiert. Gesammelte Anregungen und Kommentare der Mitglieder werden weitergeleitet und können so in die weitere Bearbeitung der Leistungsbilder einfließen.

Eberhard Steinert und Annemarie Bosch, verdeutlichten anschließend, wie wichtig die Vernetzung mit der Bundesebene bei diesen relevanten Themen ist. Das Positionspapier „Das Haus der Erde“ hat auf verschiedenen Ebenen, auch in der bayerischen Landespolitik großen Beifall gefunden. Mit dem Aufruf „Houston, we have a problem“ ist eine beispielhafte Projektsammlung klimagerechter Bauten entstanden. Aber auch im Bereich Novellierung BauGB, HOAI-Mindestsätze, Neue Leistungsbilder, Serieller Wohnungsbau ist der Bundesverband aktiv und in stetem Austausch mit der Politik.

Der Bericht aus den Kreisverbänden unter dem Motto „Stadt-Land-Gefälle“, moderiert von Georg Redelbach, widmete sich der Frage nach Beispielen regionaler Baukultur – auch in Abgrenzung zur Architektur der Verdichtungsräume – und schloss damit an den Impuls von Marion Resch-Heckel an. So wurden beispielhafte regionale Bauten den um sich greifenden uniformen Neubausiedlungen gegenübergestellt. Die Dringlichkeit nach gestalterischer Aufklärungsarbeit wurde durch das Beispiel der Ortserweiterung „Wohlfühl-Häuser in Adelsdorf“ frappierend deutlich.

Mit dem Bericht des Schatzmeisters Robert Fischer und der Verabschiedung des neuen Haushaltes endete der offizielle Teil der Mitgliederversammlung.

Über 80 Mitglieder nutzen das von Karlheinz Beer moderierte Diskussionsformat am Nachmittag, um gemeinsam wesentliche Fragen zur Zukunft von Planen und Bauen zu diskutieren. Im Format „Britisches Parlament“ saßen sich Befürworter und Gegner der aufgestellten Thesen gegenüber: Seitenwechsel, Zwischenrufe, Abstimmungen mit AYE und NO, Orderrufe der Vorsitzenden, vor allem aber vielfältige, fundierte Argumente bestimmten das Format am Nachmittag. Dabei wurde vor allem klar: auf derart grundlegende und komplexe Themen kann es keine einfachen Antworten geben. BDA-Präsidentin Susanne Wartzeck kommentierte sehr pointiert zusammenfassend jede Diskussionsrunde.

1. Hat die Trennung von Planen und Bauen für die Qualitätssicherung und Baukultur ausgedient?

Verteilung zu Beginn:
40% Ja
60% Nein

Abstimmung am Ende:
13% Ja
87% Nein

Planungsprozesse und Planungskultur ändern sich spürbar, darauf muss der Berufsstand reagieren. Oberstes Ziel jeder Bauaufgabe bleibt dabei die Herstellung guter Architektur, die planerische Unabhängigkeit voraussetzt. Gleichzeitig kann eine von Beginn an enge Zusammenarbeit mit Firmen dazu beitragen, innovative Lösungen zu finden und technischen Fortschritt zu ermöglichen. Ein tatsächlicher Interessenskonflikt, der zu einem Qualitätsverlust führen kann, wird bei gewerblich tätigen Architekten gesehen. Dies lehnt der BDA Bayern ab.


2. Geht durch den Wegfall der verbindlichen Mindest- und Höchstsätze die Qualität beim Planen und Bauen verloren?

Verteilung zu Beginn:
50% Ja
50% Nein

Abstimmung am Ende:
55% Ja
45% Nein

Der BDA Bayern stellt die Qualität und die ureigene gestalterische Befähigung als Kernkompetenz in den Vordergrund: „Wir sind in erster Linie Architekten, nicht Betriebswirte“. Honorare müssen jedoch auskömmlich sein um das Büro erhalten und qualifizierte Mitarbeiter bezahlen zu können; der Mindestsatz sei hier schon längst nicht mehr ausreichend: Eine grundsätzliche Orientierung am Mittelsatz sollte Standard sein. Die Aufgabe, Bauherren und Auftraggeber sowohl von der Relevanz von Qualität als auch von auskömmlichen Honoraren zu überzeugen, wird bleiben.


3. Muss das Werkvertragsrecht und damit die gesamtschuldnerische Haftung des Architekten abgeschafft werden?

Verteilung zu Beginn:
95% Ja
5% Nein

Abstimmung am Ende:
98% Ja
2% Nein

Der BDA Bayern sieht den Architekten weiterhin in der Rolle des Generalisten, um alle am Planungs- und Bauprozess Beteiligten zu koordinieren. Die gesamtschuldnerische Haftung wird jedoch als existenzbedrohend empfunden. Das Risiko sollte daher anders, beispielsweise über eine gemeinsame Objektversicherung mit Fachplanern, ausführenden Gewerken und Bauherr, versichert werden. Es bleibt die Frage, wer künftig noch Architekten beauftragt, wenn diese die Haftung nur mehr für ihre Leistungen übernehmen?


4. Ist der Einsatz von Generalplanern geeignet, Effizienz (Kosten + Zeit) beim Bauen zu gewährleisten und gleichzeitig die Qualität im Bauwesen aufrecht zu erhalten?

Abstimmung:
71% Ja
29% Nein

Der BDA Bayern bewertet die Übernahme von Generalplanerleistungen durch Architekten überwiegend positiv, da durch ihre Stellung die Qualität im Planungs- und Bauprozess gehalten werden kann. Es besteht die Möglichkeit, in Teams zu arbeiten, die sich bewährt haben und über das Auftragsverhältnis mit den Fachplanern positiv auf diese einzuwirken. Allerdings wird der betriebswirtschaftliche, der Koordinierungs- und Verwaltungsaufwand in den Büros größer, die ihre Strukturen entsprechend anpassen müssen. Die Kosten für den erhöhten Koordinierungsaufwand werden über den Generalplanerzuschlag (10-15%) an den Bauherren weitergegeben.
Die lange Verpflichtung, die hier eingegangen wird erfordert Mut und es bleibt die Frage, ob Architekten in dieser Konstellation ihre Aufgabe als Treuhänder des Bauherren erfüllen können?


5. Ist der Einsatz von Generalunternehmern und Generalübernehmern geeignet, Effizienz (Kosten + Zeit) beim Bauen zu gewährleisten und gleichzeitig die Qualität im Bauwesen aufrecht zu erhalten?

Abstimmung:
6% Ja
94% Nein

Dem vermehrten Einsatz von Generalunternehmern (GU) und Generalübernehmern (GÜ) steht der BDA Bayern sehr kritisch gegenüber. Auch wenn es einige gelungene Beispiele gibt, ist eine hohe Qualität in Gestaltung und Ausführung in diesen Konstellationen in der Regel nicht erreichbar. Bei der Zusammenarbeit mit Generalübernehmern muss zudem die Haftung anders geregelt sein. Sie kalkulieren das Haftungsrisiko für mögliche Schäden in den Folgejahren bereits ein. Subunternehmern wiederum werden finanziell enge Grenzen gesetzt, so dass sie unter dem Preisdruck an Material und Sorgfalt in der Ausführung sparen, wie die Erfahrung zeigt.

Fazit
Die lebhafte und aktive Teilnahme aller anwesenden Mitglieder hat gezeigt, wie wichtig es ist, die o.g. Themen gemeinsam zu diskutieren. Der Landesvorstand nimmt die Ergebnisse der Diskussion als Grundlage, seine Positionen weiterzuentwickeln und eine Haltung zu formulieren, um diese gegenüber Politik und Öffentlichkeit zu vertreten.

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